S&G Jahrbuch 2017
94 Ausgabe 45/17: Schweizer Finanzplatz &Waffenexporte sru. Im Jahr 2016 exportierte die Schweiz Kriegsmaterial im Wert von total 412 Mio. CHF an Staa- ten wie zumBeispiel Deutschland (93 Mio.), Südafrika (51 Mio.), USA (32 Mio.), Pakistan (25,5 Mio.) oder Saudi-Arabien (12 Mio.). Die Exportschlager waren verschiedene Munitionsarten und Flugabwehrkanonen. Unter den insgesamt 70 Empfängerstaaten sind auch solche vertreten, die ak- tuell im Krieg stehen oder Men- schenrechte mit Füßen treten. Es muss also davon ausgegangen werden, dass mit Schweizer Kriegsmaterial völkerrechtswid- rige Kriegsverbrechen begangen werden. [9] Für 411.938.930 CHF Kriegsmaterial exportiert srz. Die Kriegsmaterialverord- nung (KMV) vom 25.2.1998 de- finiert, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial an Staaten liefern darf, die in Kriege verwickelt sind. An der Pressekonferenz der Bundesbehörde SECO* in Bern am 21.2.2017 wurde die Frage gestellt, weshalb im Jahr 2016 den- noch Waffenexporte an kriegs- führende Staaten bewilligt wur- den. Simon Plüss vom SECO er- klärte, der Bundesrat habe dieses Gesetz bis heute so ausgelegt, dass sich ein Waffenlieferungs- verbot nur auf Staaten mit inter- nen Konflikten (Bürgerkrieg) be- ziehen würde. Doch der Artikel 5 der Kriegsmaterialverordnung spricht eine unmissverständliche Sprache: „Auslandsgeschäfte und Abschlüsse von Verträgen nach Artikel 20 KMG werden nicht bewilligt, wenn das Bestim- mungsland in einen internen oder internationalen bewaffne- ten Konflikt verwickelt ist.“ Soll weiterhin geduldet werden, dass geltendes Gesetz dem Reiz lukra- tiver Auslandsgeschäfte unterge- ordnet wird? [6] *Staatssekretariat für Wirtschaft S&G Hand-Express Schlusspunkt ● Die Neutralität ist einer der wichtigsten Grundsätze der Schweizer Außenpolitik. Im Urgedanke bedeutet sie, dass die Schweiz nicht an bewaff- neten Konflikten zwischen anderen Staaten beteiligt ist. Die Macht des Geldes scheint jedoch gewisse Wirtschafts- vertreter und Politiker dahin zu treiben, dass die Neutrali- tät lediglich als nichts aus- sagendes Schutzschild miss- braucht wird. Dieser Un- terwanderungsprozess be- schränkt sich nicht nur auf das Beispiel der Schweiz. Ver- letzungen des Völkerrechts sowie der Neutralität sind der- zeit auch in anderen europä- ischen Ländern wie Deutsch- land (mit z.B. der US-Basis Ramstein als Kriegsdreh- scheibe*) und Österreich (mit z.B. NATO-Truppen- und Panzertransporten durch ihr Land**) festzustellen. Der deutsche Politiker Christian Görke erklärte bei einer Frie- denskundgebung im Januar 2017: „Wir sind historisch dafür in der Verantwortung für Frieden und Abrüstung zu sorgen. Panzer schaffen keinen Frieden – nirgends.“ *siehe S&G 51/2017, Artikel [1]; 44/2017, Artikel [7]; 11/2017 ** siehe S&G 48/2017, Artikel [2] Bundesrat umgeht Kriegsmaterialverordnung! uzu. Der kürzlich verstorbene Jurist Christoph Bürki machte immer wieder auf die strafrecht- liche Verantwortung bei Rüstungs- exporten aufmerksam. Für Waf- fenlieferungen sei das Strafrecht nicht einfach außer Kraft gesetzt. Unter Art. 25 des Schweizeri- schen Strafgesetzbuches (StGB) fielen Delikte wie Beihilfe zum Mord, zu vorsätzlicher Tötung, zu schwerer Köperverletzung und zu schwerer Sachbeschä- digung. Diese Verbrechen seien laut Art. 101 StGB sogar unver- jährbar. Es handle sich dabei um sogenannte Offizialdelikte*, die von der Justiz geahndet werden müssten. In der Realität sieht es anders aus. Laut der offiziellen Statistik des Bundes wurden von 1975 bis 2016 für 17,5 Milliar- den Franken Waffen aus der Schweiz exportiert – zum gro- ßen Teil an Kriegsparteien! Wel- che Anstöße wären nötig, damit die Justiz nicht länger gesetzes- widrigeWaffenexporte an kriegs- führende Staaten ignoriert? [7] *Straftat, die von der Strafverfolgungsbe- hörde von Amtes wegen verfolgt wer- denmuss,wennsieihrzurKenntnisgelangt. Arbeitsplätze zum Preis einer humanitären Katastrophe sph. Eigentlich hat der Bundes- rat einen faktischen Rüstungs- stopp gegen kriegführende Län- der verhängt. Trotzdem will die Sicherheitspolitische Kommissi- on (SiK) des Nationalrats Rüs- tungsexporte in Staaten, die in den Jemen-Konflikt verwickelt sind, nicht verbieten, wie SRF am 17.2.2016 berichtete. Kon- kret geht es um Saudi-Arabien und Katar, die den Jemen bom- bardieren. Im Jemen findet eine der größten humanitären Kata- strophen weltweit statt! Die Schweiz liefert an Saudi-Ara- bien Munition für Flugab- wehrgeschütze. Zusätzlich sol- len Schützenpanzer an arabische Golfstaaten geliefert werden. Wirtschaftsverbände wie Swiss- mem oder der Gewerbeverband betonen in einem offenen Brief, wie bedeutend solche Rüstungs- geschäfte seien. „Es geht ja auch um Arbeitsplätze“, sagte Corina Eichenberger, Präsidentin der SiK. Zudem seien solche Aufträ- ge für den Erhalt von Know- how bei der Herstellung von Rüstungsgütern von Bedeutung. Die Gegenargumentation der Grünen und Linken, dass man durch die Rüstungslieferungen den Konflikt und damit auch die Flüchtlingsströme aufrecht er- halte, war beschämenderweise nicht mehrheitsfähig. [8] Schweizer Waffen an zahlreichen Fronten anb. Deutschland ist seit Jahren einer der besten Kunden der Schweizer Rüstungsindustrie. Im Rahmen der NATO leistete Deut- schland mit in der Schweiz herge- stellten Waffen Kriegsdienst im Kosovo-, Irak- und Afghanistan- krieg. Im Jahr 2014 lieferte die deutsche Tochter der RUAG Hol- ding AG* den kurdischen Pesch- merga-Kämpfern im Irak vier Millionen Schuss Munition. Die bundeseigene RUAG Holding AG gilt als die größte Munitions- herstellerin in Europa. 2013 er- zielte sie einen Umsatz von 354 Millionen Franken. Durch Ge- wehrkugeln und andere Muni- tion für Kleinwaffen kommen in Konflikten weltweit mehr Men- schen ums Leben, als bei Bom- bardierungen und Kämpfen mit schweren Waffen. Da die Export- kontrolle der deutschen Behörde obliege, erklärte sich das Schwei- zer Staatssekretariat für Wirt- schaft (SECO) als nicht verant- wortlich. Der Tatvorwurf „Bei- hilfe zum Mord“ dürfte dennoch nur schwer von der Hand zu wei- sen sein (siehe Artikel 6). [10] *Zusammenschluss der ehemaligen Rüstungsbetriebe des Schweize- rischen Bundes in einer privat- rechtlichen Aktiengesellschaft. Die Aktien befinden sich vollumfänglich im Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Kriegsmaterial nach Südafrika fragwürdig?! mep. Südafrika war 2016 der zweitbeste Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie und kaufte für 51,3 Mio. CHF Feuerleitgeräte und Ersatzteile für die Flugab- wehr. Im Gegensatz zu anderen Staaten wird Südafrika nicht mili- tärisch bedroht und hätte anderes nötiger, als von der Schweizer Rüstungsindustrie „Rheinmetall“ Kriegsmaterial zu kaufen. In Süd- afrika leben viele Menschen in großer Armut und erhalten oft keine medizinische Hilfe, wenn sie krank sind. Armut und Krank- heit lässt sich nicht mit Kanonen und Granaten aus Zürich be- kämpfen. [11] Justiz ignoriert gesetzwidrige Waffenexporte Quellen: [6] Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2017: «Die heiklen Waffenexporte» von Hansueli Schöchli | www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23591 [7] www.admin.ch/opc/de/classified- compilation/19370083/index.html | www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23591 [8] www.srf.ch/news/schweiz/waffenexport-in-den-nahen-osten-bringt-bundesrat-unter-druck | www.klagemauer.tv/10381 [9] www.seco.admin.ch/seco/de/home/seco/nsb-news/medienmitteilungen-2017.msg-id-65703.html [10] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Terrorismus/ bundestag.html | https://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerkrieg_in_Syrien#Deutschland | www.blick.ch/news/schweiz/ruag-liefert-kugeln-in-den-irak-schweizer-munition-gegen-is-terroristen- id3110049.html | www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23591 [11] www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23591 [12] www.siper.ch/de/frieden/zitate/
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