S und G Jahrbuch 2016

44 TTIP – der Baustein zu einer US-Weltordnung gha. Im Zentrum der Kritik am Freihandelsabkommen TTIP stehen die Schiedsgerichte, mit denen der Investorenschutz vertraglich abgesichert werden soll. Weitestgehend unbekannt ist, dass z.B. Deutschland jetzt schon 129 Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat, von denen 85 eine Klagemöglichkeit von Unternehmen vorsehen. Gemäß einem UN-Abkommen erkennen global rund 150 Staaten Schiedssprüche und ihre Vollstreckung an. Etwa 90 % aller größeren internationalen Verträge enthalten solche Klauseln! Auch sind bereits viele Richter in Deutschland als Richter in privaten, nicht öffentlichen Schiedsgerichten tätig. Das heißt, es besteht in Deutschland und weltweit jetzt schon eine Paralleljustiz, die durch TTIP dann zur vollen Entfaltung kommt! Der Koordinator dieser Schattenjustiz in Deutschland ist die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS). DIS ist ein eingetragener Verein zur Förderung der deutschen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. DIS vermeldete bereits im Jahr 2011 über 150 Schiedsgerichtsverfahren mit einer Klagesumme von fast vier Milliarden Euro. Weltweit sind bereits 500 Schiedsgerichtsverfahren bekannt, die durch Freihandelsabkommen ermöglicht wurden! Der Investorenschutz ist also längst Standard im internationalen und deutschen Recht geworden! Gemäß kritischen Beobachtern haben Politiker vorbei an den Bürgern quasi durch die Hintertür ein System geschaffen, durch das die globale Finanzelite nicht nur allein den Gewinn absahne, sondern auch Macht über die nationalen Staaten erhalte. [4] bu. Vertrauliche Verhandlungsdokumente zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) machen deutlich, dass es keinesfalls nur um den Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren geht. Und zwar werde von der EU-Kommission ein „Gremium für regulatorische Zusammenarbeit“ gefordert. Das solle Gesetzgebungsverfahren in wirtschaftlichen Bereichen „harmonisieren“ und „koordinieren“. Dies bedeute praktisch, dass Wirtschaftskonzerne und die USA künftig in jedem Land der EU bei der Gesetzgebung ihre Interessen direkt mit einarbeiten lassen könnten. Schon jetzt beklagt die deutsche Politikerin und ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Dagmar Roth-Behrendt, eine erschreckend lobbyistische Vorgehensweise hoher EU-Beamter: Sie forderten nämlich das EU-Parlament auf, schon jetzt neue Lebensmittelgesetze durchzuwinken, um Komplikationen bei den TTIPVerhandlungen zu vermeiden. Gemäß kritischer TTIP-Experten habe der Abschluss des TTIP-Vertrages zur Konsequenz, dass durch die Gesetzgebung unsere hohen Umweltund Verbraucherschutzstandards leicht ausgehebelt werden können. Alle Versprechungen der Politik, dass diese Standards durch TTIP nicht angetastet werden, seien demnach reine Makulatur! [5] Ausgabe 20/16: S&G Hand-Express Schiedsgerichte sind bereits Standard im internationalen Recht! Fortsetzung von Seite 1 gha. In einem vertraulichen deutschen Regierungsprotokoll über die TTIP-Verhandlungen werden die Befürchtungen deutscher Regierungsvertreter offenbar, dass durch das geplante Freihandelsabkommen die Abgeordneten bei wichtigen Fragen künftig außen vor bleiben. Hintergrund dazu ist, dass der TTIP-Vertrag als ein so genanntes „living agreement“ geplant sei. Dies bedeutet, dass auch nach abschließender Zustimmung zum TTIP-Vertrag durch das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente, dieser stetig weiterentwickelt werden soll. In Expertenausschüssen, wie dem „Rat für regulatorische Zusammenarbeit“, können somit weitreichende Ergänzungen und Änderungen an dem Vertragswerk vorgenommen werden, ohne dass die Parlamente gefragt werden. Laut dem Regierungsprotokoll entstehe durch die geplante Struktur zur Weiterentwicklung des Vertrages nicht nur der Eindruck der Schaffung einer transatlantischen Behörde! Dies dokumentiere zudem deutlich, dass es sich bei TTIP um einen großen Schritt hin zu einer US-amerikanischen Weltordnung handelt. [6] Konzerne und die USA bestimmen künftig unsere Gesetzgebung „Das Gesetz ist dazu da, Menschen zu retten, nicht um sie zu vernichten.“ John Steinbeck, US-Autor, 1902–1968 Aus seiner Sicht sind diese Schiedsgerichte daher verfassungswidrig. Werden diese Warnungen von der Politik nicht beachtet, stehen offensichtlich andere Interessen als die Souveränität und der Schutz der Bevölkerung im Vordergrund. [3] Quellen: [3] https://stop-ttip.org/de/blog/investorenschutz-ist-verfassungswidrig/ [4] www.wiwo.de/unternehmen/industrie/schiedsgerichte-fehlende-oeffentliche-einsicht/8126350-3.html | www.wiwo.de/unternehmen/industrie/schiedsgerichtekritik-am-prinzip-schiedsgericht/8126350-2.html | www.wiwo.de/unternehmen/industrie/schiedsgerichte-justitia-verzieht-sich-ins-hinterzimmer/8126350.html [5] www.lobbycontrol.de/2015/01/ttip-verhandlungsdokument-zeigt-deutlich-eu-verhandlungspositionhoehlt-demokratie-aus/ | www.rtdeutsch.com/10284/international/kein-gesetz-in-eu-laendern-ohnezustimmungder-usa-ttip-macht-es-moeglich/ [6] www.foodwatch.org/de/presse/pressemitteilungen/geleaktesdokument-zu-ttip-verhandlungen-beweist-bundesregierung-sieht gefahr-der-entmachtung-der-parlamentedurch-zukuenftige-regulierungskooperation/ www.sueddeutsche.de/politik/freihandelsabkommen-tip-und-diefroschlurche-1.2581192 Schlusspunkt ● Im Widerstand gegen TTIP schlossen sich bisher 470 Organisationen zur erfolgreichsten europäischen Bürgerinitiative „STOPP TTIP“ zusammen. Bis zum 7.10.2015 sammelten sie 3,26 Millionen Unterschriften gegen TTIP. Die beeindruckende Großdemonstration gegen TTIP in Berlin am 10. Oktober 2015 zählte bis zu 250.000 Teilnehmer. Sie war damit die größte deutsche Demonstration seit 2003, als 500.000 Menschen gegen den drohenden Irakkrieg auf die Straße gingen. Die politischen Vertreter und die EU-Kommission zeigen sich davon jedoch völlig unbeeindruckt und treiben die Verhandlungen zu TTIP zielstrebig weiter voran. Um das zu stoppen, braucht es daher den Widerstand der ganzen Bevölkerung! Die Redaktion (hag.) Deshalb: Verbreiten Sie diese S&G-Sonderausgabe und helfen Sie, die zumeist desinformierten Menschen aufzuwecken. TTIP

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