S und G Jahrbuch 2016

8 mak. Über Jahrzehnte haben wir Verbraucher uns an sehr gleichmäßig geformtes Obst und Gemüse in den Supermärkten gewöhnt. Das trägt dazu bei, dass weltweit geschätzte 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll landen, von denen sich weltweit ca. drei Milliarden Menschen ernähren könnten. Doch nun bewegt sich etwas: Nachdem Edeka* und Coop* schon 2013 Obst und Gemüse mit „Schönheitsfehlern“ verbilligt verkauften, hat Intermarché* 2014 nachgezogen. In Weimar gründeten Studenten einen Internetshop, der „hässliche“ Früchte anbietet. Das sind doch Angebote, bei denen Mensch und Umwelt gewinnen: Der Käufer spart Geld, es schmeckt oft besser und die Bauern können auf unnötigen Spritzmitteleinsatz verzichten. Diese Argumente dürften es wert sein, liebgewonnene Angewohnheiten zu überdenken. [7] mas. Glaubt man den Aussagen der Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut, entsteht der Eindruck, das weltweite Ernährungsproblem sei nur durch Einsatz von Gentechnik zu lösen. Leon Bignell, der Landwirtschaftsminister Südaustraliens beweist, dass es auf ganz natürliche Weise geht. Er setzt auf ein Bodenverbesserungsprogramm, bei dem der Boden bis auf 50 cm Tiefe und mehr bearbeitet wird und ihm Tonerde und organische Stoffe zugesetzt werden, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Gleichzeitig ist im ganzen Land der Einsatz von gentechnisch verändertem Saatgut und Pflanzenschutzmitteln verboten. Die Ergebnisse, die Leon Bignell jetzt präsentierte, lassen aufhorchen: „Wir haben Erntezuwächse von 50-, 100und in einigen Fällen sogar von 300 % erzielt.“ Laut Bignell sind diese Ergebnisse kein Zufallstreffer, sondern weisen den Weg zur Landwirtschaft der Zukunft – einer Landwirtschaft, die durch Verbesserung und Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit hohe Erträge und gesunde Lebensmittel erzeugt. Dass Erntezuwachs vor allem durch Gentechnik erzielt werden kann, ist demnach eine falsche Behauptung. [5] Ausgabe 2/16: Bauern S&G Hand-Express Quellen: [4] www.arte.tv/de/selbstmorde-jeden-zweiten-tag-nimmt-sich-ein-franzoesischer-landwirt-das-leben/ 7773908,CmC=7773718.html | www.schrotundkorn.de/2012/201210m07.php [5] http://netzfrauen.org/2015/03/27/topp-ganzohne-gvo-300-mehr-getreideernte-in-suedaustralien/ [6] www.edu-schweiz.ch/fileadmin/user_upload/1-EDU-CH/1 -doku-ch/Standpunkt/2015-Standpkt/standpunkt-2015-10-CH.pdf (S. 11) | www.blw.admin.ch/themen//00005/00044/ 01178/index.html?lang=de [7] https://de.wikibooks.org/wiki/Verschwendung:_Nahrung | www.gute-nachrichten.com.de/ 2014/07/umwelt/supermarktkette-begeistert-kunden-fuer-unaesthetisches-obst-und-gemuese/ | www.gute-nachrichten. com.de/2013/08/umwelt/ugly-fruits-ein-platz-fuer-optische-maengel/ | www.zeit.de/wirtschaft/2013-11/lebensmittel-normen-edeka| www.coop.ch/pb/site/common2/node/80607266/Lde/index.html?tboxhp=X_Unique_Teaser-Content Sieger-Ecke: Dreimal höhere Getreideernte in Südaustralien Schlusspunkt ● Die Rede des Schweizer Bundesrates Ueli Maurer am zehnjährigen NordostmilchJubiläum vom 22.8.2015, kann stellvertretend sicher auch auf andere betroffene Länder übertragen werden. Sinngemäβ sagte Maurer, dass die Bauern wichtig seien für das Land. Die Politik dürfe die Bauern nicht länger allein lassen oder gar drangsalieren. Sie habe vergessen, dass die Landwirte Lebensmittel produzieren und damit Werte, wie Wurzeln und Heimat verkörpern. Die Bauern sollten aber zusammenstehen, den Nachbarn nicht nur als Konkurrenten sehen und nicht zu fest jammern. So wie die Bauern wichtig sind für die Ernährungssouveränität eines Landes, so sind Sie, liebe S&G-Leser, Verteiler und Kuriere wichtig für die freie Meinungsbildung überall dort wo Sie wohnen! Wir stehen zusammen und jammern nicht, sondern treiben das Werk der Aufklärung voran! Nahrungsmittel für drei Milliarden Menschen weggeworfen *Supermarktketten Hohe Selbstmordrate bei Landwirten rs. Laut Statistik des französischen Instituts für Gesundheitsüberwachung (InVS) vom Oktober 2013, begeht alle zwei Tage ein französischer Landwirt Selbstmord. Das sind mehr als beim Rest der Bevölkerung. Auch britische Bauern sind offenbar stärker betroffen als Menschen anderer Berufsgruppen. Man spricht von einer zwei- bis dreimal höheren Selbstmordgefahr. Als eine der Hauptursachen gilt der Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte bei gleichzeitiger Preissteigerung für Konsumenten. Aber auch die zunehmend belastende Flut an Vorschriften spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Die höchste Selbstmordrate weltweit unter Landwirten hat jedoch Indien. Alle 30 Minuten nimmt sich ein indischer Bauer das Leben. Zwischen 1995 und 2010 waren es mehr als 250.000. Der Hauptgrund dafür: Jedes Jahr mussten sie das Saatgut von der Firma Monsanto erneut für teures Geld kaufen, da es nicht mehr fortpflanzungsfähig ist. Die immense Profitgier von Monsanto, auf Kosten der Ärmsten, trieb die indischen Bauern in eine hoffnungslose Schuldenfalle. [4] „Saatgut ist Leben. Wenn wir darüber die Kontrolle verlieren, verlieren wir die Freiheit und die Unabhängigkeit unserer Lebensmittelversorgung.“ Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz sinkt *Die Biodiversität umfasst neben der Vielfalt der Arten auch die genetische Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme. den die Bauern dazu angehalten, ihrer grundlegenden Aufgabe Nahrungsmittel zu produzieren, nicht mehr nachzukommen. Damit wird der Selbstversorgungsgrad der Schweiz auf besorgniserregende Art und Weise gesenkt. Eine grundsätzlich neue Perspektive für die künftige Agrarpolitik könnte die Ernährungssouveränitätsinitiative bieten. [6] pb. Mit der neuen Agrarpolitik 2014/2017 wurde in der Schweiz ein neues Direktzahlungssystem für die Bauern eingeführt, welches u.a. mehr Ökologie, weniger Produktion, keine Tierbeiträge, dafür Biodiversitätsbeiträge* verlangt. Der ursprüngliche Sinn der Direktzahlungen (seit 1993) war die Verbilligung der Grundnahrungsmittel, die in der Schweiz produziert werden. Die Berechnung der neuenAgrarpolitik 2014/2017 basiert v.a. auf der bewirtschafteten Fläche. Wer viel Fläche bewirtschaftet und wenig produziert, profitiert am meisten. Die Anbauprämien im Ackerbau wurden gesenkt oder gar abgeschafft. Seit 2014 erhält der Landwirt Direktzahlungen für den Blumengarten vor dem Haus, für ein paar Hühner mit Hahn, für die Haltung von Kaninchen, für eine angepflanzte Hecke usw. Durch ein derartiges Direktzahlungssystem werSchweizer Volksinitiative „Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft betrifft uns alle“ im Endspurt. www.ernaehrungssouveraenitaet.ch Vandana Shiva, indische Physikerin (Siehe auch S&GNr. 22+26/13). Die Redaktion (brm.)

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